Frühere Inkarnationen Dorje Shugdens

 

Der hoch verwirklichte Meister Tagpo Kelsang Khädrub Rinpoche verfaßte die zwei folgenden Verse über Dorje Shugden: Mit tiefem Vertrauen verbeuge ich mich vor Dir, Vajradhara Dorje Shugden. Obwohl Du bereits die Buddha-Ebene erlangt hast Und die siebenundzwanzig Taten eines Buddhas ausführst, Erscheinst Du in verschiedenen Formen, um dem Buddhadharma und fühlenden Wesen zu helfen. Du hast Dich in verschiedenen Aspekten manifestiert, Als indische und tibetische Meister, Wie beispielsweise Manjushri, Mahasiddha Biwawa, Sakya Pandita, Butön Rinchen Drub, Duldzin Dragpa Gyaltsän, Panchen Sönam Dragpa und viele andere.

 

Die Bedeutung des ersten Verses ist recht klar. Die siebenundzwanzig Taten eines Buddhas sind in den Sutras der Vollkommenheit der Weisheit und im achten Kapitel des Ornaments für klare Verwirklichungen von Maitreya erklärt. Diese siebenundzwanzig Taten beinhalten, wie den fühlenden Wesen das Betreten des spirituelle Pfades zur Befreiung gezeigt wird bis zur Hinführung der fühlenden Wesen zur endgültigen Erlangung der Buddhaschaft. Da Dorje Shugden alle diese siebenundzwanzig Taten ausführt, ist es klar, daß er ein Buddha ist.

 

Um Lebewesen auf dem spirituellen Pfad zu führen, manifestiert sich Dorje Shugden in vielen verschiedenen Aspekten. Manchmal erscheint er in einem friedvollen Aspekt, manchmal in einem zornvollen, manchmal als Ordinierter, manchmal als Laie, manchmal als Bodhisattva, manchmal als Hinayana-Buddhist, manchmal als Nichtbuddhist oder sogar als nichtmenschliches Wesen. Da es so viele verschiedene Ausstrahlungen der Buddhas gibt, ist es schwierig zu sagen, wer eine Ausstrahlung ist und wer nicht. Die einzige Person, bei der wir diesbezüglich sicher sein können, sind wir selbst. Wir wissen, ob wir ein fühlendes Wesen oder ein Buddha sind. Von anderen wissen wir es aber nicht.

 

Jeder Buddha hat die Fähigkeit, so viele Ausstrahlungen zu manifestieren, wie es Lebewesen gibt. Diese Fähigkeit ist notwendig, da Buddhas nicht in der Lage wären, allen Lebewesen entsprechend ihren verschiedenen Bedürfnissen zu helfen, wenn sie nur in einer Form ohne Ausstrahlungen bleiben würden. Folglich, wenn wir uns weigern zu glauben, daß ein Buddha viele verschiedene Ausstrahlungen haben kann, halten wir indirekt an der falschen Sichtweise fest, zu leugnen, daß Buddhas allen Lebewesen helfen können. Im Sutra der Begegnung von Vater und Sohn sagt Buddha Shakyamuni:

 

Buddhas zeigen sich in vielen verschiedenen Aspekten, wie zum Beispiel als Brahma, Indra und manchmal sogar als Mara oder böse Person, aber weltliche Menschen erkennen diese Ausstrahlungen nicht.

 

Buddhas können sich sogar als unbelebte Objekte ausstrahlen. Einst reiste der große indische Meister Phadampa Sangye nach Tibet. Als Milarepa vom Besuch dieses großen Yogis hörte, entschloß er sich, dessen Realisationen zu prüfen. Er ging zur Grenze und wartete auf Phadampa Sangyes Ankunft. Als er ihn näherkommen sah, verwandelte er sich in eine Blume, um zu prüfen, ob Phadampa Sangye die Hellsicht besaß, seine Tarnung zu durchschauen. Phadampa Sangye ging jedoch einfach an Milarepa vorbei, scheinbar ohne dessen Gegenwart zu bemerken. Milarepa dachte: «Dieser sogenannte Yogi hat keine Hellsicht», worauf sich Phadampa Sangye umdrehte, gegen die Blume trat und sagte: «Steh auf Milarepa!» Milarepa war erfreut festzustellen, daß Phadampa Sangye tatsächlich ein wahrhaft verwirklichtes Wesen war. Er sprang in seiner normalen Form auf und begrüßte ihn.

 

Wie Tagpo Kelsang Khädrub Rinpoche sagte, hat sich Dorje Shugden in vielen verschiedenen Formen gezeigt, um den Lebewesen zu helfen. Nun folgt eine kurze Darstellung jeder der vergangenen Inkarnationen Dorje Shugdens, die im oben zitierten Vers erwähnt wurde.


MANJUSHRI


Zur Zeit Buddha Shakyamunis erschien Dorje Shugden als Bodhisattva Manjushri, einer der Hauptschüler Buddhas. In Wirklichkeit hatte Manjushri bereits in einem früheren Zeitalter, lange vor der Zeit Buddha Shakyamunis, die volle Erleuchtung erlangt. Im Sutra der Enthüllung des Bereiches von Manjushri erklärt Buddha, daß Manjushri in ferner Vergangenheit den Bodhisattva-Pfad vollendet und in seinem Reinen Land als Buddha namens «Tathagata Lampe der Nagas» die Erleuchtung erlangt hatte. Im selben Sutra beschreibt Buddha auch die vielen verschiedenen Buddha-Länder Manjushris und wie Manjushri in zahllosen Ausstrahlungen erscheint, um fühlenden Wesen zu helfen.

 

Zwar zeigte sich Manjushri im Aspekt eines Schülers von Buddha, dennoch hatte er große Macht, fühlenden Wesen zu helfen. Manchmal kamen Menschen auf der Suche nach Hilfe und Rat zu Buddha, aber Buddha verwies sie an Manjushri, da sie eine stärkere karmische Verbindung zu ihm hatten. Einige hatten eine solch starke Verbindung mit Manjushri, daß sie durch seinen Segen und sein Geschick in der Lage waren, nahezu ohne eigene Anstrengung sehr kraftvolle Realisationen zu entwickeln.

 

So jemand war König Ajatashatru. Ajatashatru hatte zwei besonders negative Handlungen begangen. Er hatte seinen Vater getötet und eine vollordinierte Nonne vergewaltigt, die außerdem ein Höheres Wesen war. Die Folgen solcher Handlungen sind entsetzlich. In den Vinaya-Sutras werden solche Handlungen «Handlungen sofortiger Vergeltung» genannt, denn, wer auch immer sie begeht, wird sofort nach dem Tod mit Sicherheit in einem Höllenbereich wiedergeboren. Den Vinaya-Sutras zufolge ist es unmöglich, solch eine Wiedergeburt zu verhindern, doch es besteht eine Möglichkeit, ihre Dauer zu verkürzen. Gemäß den Mahayana-Sutras können diese schweren negativen Handlungen jedoch gereinigt werden, wenn die korrekten Gegenmittel in reiner Form angewendet werden.

 

König Ajatashatru entwickelte starkes Bedauern für seine negativen Handlungen und bat Buddha, ihm eine besondere Methode zu geben, sie zu reinigen. Buddha lehrte das Sutra für die Beseitigung von Ajatashatrus Bedauern und legte dem König dann nahe, den Bodhisattva Manjushri um Hilfe zu ersuchen. Sobald Ajatashatru diesen Ratschlag hörte, entwickelte er starkes Vertrauen in Manjushri. Er lud Manjushri zu einem Festmahl in sein Haus ein. Nach dem Mahl stand er auf, um Manjushri einen sehr teuren Umhang darzubringen. Aber in dem Moment, als er das Gewand anbot, verschwand Manjushri. Der König stand verwundert da: «Wer ist Manjushri? Wo ist Manjushri?» Durch diese Gedanken erkannte er, daß er keinen wirklichen, wahrhaft existierenden Manjushri finden konnte, und kam dem Verständnis der Leer-heit sehr nahe. Da Manjushri verschwunden war, entschloß sich der König, den Umhang selbst anzuprobieren, aber als er ihn um seine Schultern legte, begann er die gleichen Fragen auf seine eigene Person bezogen zu stellen: «Wer bin ich? Wo bin ich? Wer ist der König? Wo ist der König?» Da er völlig außerstande war, ein wirkliches, wahrhaft existierendes Selbst oder einen wahrhaft existierenden König zu finden, erlangte er ein Verständnis der Leerheit. Dann begann er zu meditieren und erlangte schnell eine direkte Realisation der Leerheit und wurde ein Höheres Wesen auf dem Pfad des Sehens.

 

Den Hinayana-Unterweisungen zufolge kann eine Person, die eine der fünf Handlungen sofortiger Vergeltung begangen hat, nicht im selben Leben ein Höheres Wesen werden, aber die Mahayana-Sichtweise ist anders. Durch die Segnungen Manjushris konnte König Ajatashatru sein negatives Karma reinigen und den Pfad des Sehens erreichen. Manjushri vollbrachte viele solche besonderen Taten.


MAHASIDDHA BIWAWA


Später, um dem Buddhadharma zur Blüte zu verhelfen, wählte Manjushri eine Wiedergeburt als Mahasiddha Biwawa. Biwawa wurde in Indien, östlich von Bodh Gaya, geboren und trat in jungen Jahren in das Kloster Nalanda ein. Obwohl er eine Ausstrahlung Manjushris und demzufolge ein vollerleuchtetes Wesen war, studierte und praktizierte Biwawa Buddhas Lehren in Nalanda, um ein vollkommenes Beispiel zu geben, wie man den Pfad zur Befreiung und Erleuchtung praktizieren soll. Tagsüber studierte und meditierte er über die Sutra-Unterweisungen, und nachts praktizierte er die Yogas des Heruka-Tantras. Als Folge seiner reinen Praxis konnte er Vajrayogini und ihr Gefolge unmittelbar sehen. Jedesmal, wenn er Tsog-Darbringungen machte, kam Vajrayogini in sein Zimmer zusammen mit fünfzehn anderen Dakinis, zu denen er eine besonders starke karmische Verbindung hatte, um am Fest teilzunehmen.

 

Unglücklicherweise konnten die anderen Mönche im Kloster Nalanda Vajrayogini und die Dakinis nicht erkennen, sondern sahen sie als gewöhnliche Frauen. Da die Mönche glaubten, daß er seine Ordinations-Gelübde breche, wurden sie ihm gegenüber sehr kritisch und gaben ihm den Spitznamen Biwawa, was «schlechter Mann» bedeutet. Ihrer Ansicht nach brachte Biwawas Verhalten das Kloster in Verruf, und so forderten sie ihn auf, dieses zu verlassen. Zwar hatte Biwawa niemals auch nur eines seiner Vinaya-Gelübde gebrochen, dennoch willigte er ein, Nalanda zu verlassen, und sagte: «Ja, ich bin ein schlechter Mann, ich werde gehen.» Er gab seine Roben zurück, zog sich Laienkleidung an und verließ das Kloster. Dann begann er wie ein armer, heimatloser Bettler von Ort zu Ort zu wandern.

 

Zuerst kam er in eine Gegend in der Nähe von Varanasi und lebte dort in einer Höhle tief im Wald. Das Land gehörte einem nichtbuddhistischen König, der einen großen Haß auf Buddhisten hatte. Eines Tages traf der König Biwawa und lud ihn in seinen Palast ein. Als er aber erfuhr, daß Biwawa ein Buddhist war, befahl er seinen Dienern, ihn zu töten. Zuerst versuchten die Diener, Biwawa zu ertränken; sie konnten ihn aber nicht hochheben, um ihn in den Fluß zu werfen. Dann versuchten sie, ihn lebendig zu begraben, aber am nächsten Tag erschien er wieder unversehrt. Schließlich versuchten sie, ihn zu verbrennen, aber wieder blieb er unverletzt. Als der König sah, daß sich Biwawa durch seine Wunderkräfte beschützen konnte, entwickelte er starkes Vertrauen in ihn und den Buddhadharma. Er und all seine Untertanen wurden buddhistische Praktizierende und Schüler Biwawas. Dies erfüllte eine Prophezeiung, die ein Astrologe bei Biwawas Geburt gemacht hatte und besagte, daß Biwawa sehr mächtig werden und durch die Vorführung seiner Wunderkräfte viele Menschen dazu bringen würde, den Pfad des Buddhadharmas zu betreten.

 

Einige Zeit später reiste Biwawa nach Süden zum Ganges. Als er am Fluß ankam, bat er einen Fährmann, ihn ans andere Ufer zu befördern, aber der Fährmann weigerte sich, da Biwawa kein Geld zur Begleichung der Schuld hatte. Biwawa verkündete: «Da dieser Fluß immerzu fließt, ist er vielleicht müde und möchte sich ein wenig ausruhen.» Er teilte das Wasser und ging hinüber zur anderen Seite. Der Fährmann war verblüfft und fragte Biwawa, wer er sei. Biwawa erzählte ihm ein wenig von seiner Lebensgeschichte, worauf der Fährmann großes Vertrauen in ihn entwickelte und ihn darum bat, sein Schüler zu werden. Biwawa nahm ihn als Schüler auf und gab ihm viele Unterweisungen. Der Fährmann praktizierte mit großem Fleiß und wurde schließ-lich ein hoch verwirklichter Yogi namens Drombi Heruka, einer der vierundachtzig Mahasiddhas.

 

Biwawa setzte seine Reise fort und erreichte eine Stadt. Dort rastete er in der örtlichen Gaststätte. Nachdem er einige Getränke zu sich genommen hatte, bat ihn die Wirtin zu bezahlen, aber Biwawa antwortete, daß er kein Geld habe. Die Wirtin wurde ärgerlich und drohte ihm: «Bis Sonnenuntergang mußt du bezahlt haben, sonst rufe ich die Ordnungshüter und lasse dich ins Gefängnis werfen!» Sofort benutzte Biwawa seine Wunderkräfte und hielt den Sonnenlauf an. Drei volle Tage hielt er die Sonne bewegungslos. Die Ortsbevölkerung war entgeistert und fragte sich, wie so etwas geschehen konnte. Schließlich baten sie den König um Hilfe. Als der König Biwawa fragte, was geschehen sei, antwortete Biwawa, daß er dafür verantwortlich sei, daß die Sonne nicht untergehe. «Wenn ich der Sonne erlaube unterzugehen, muß ich ins Gefängnis», erklärte er. Der König versicherte Biwawa, daß er weder seine Getränke bezahlen noch ins Gefängnis gehen müsse, wenn er nur die Sonne wieder untergehen ließe. Als Biwawa von seiner Begnadigung hörte, war er hoch erfreut und ließ augenblicklich die Sonne ihre Reise am Himmel fortsetzen!

 

Als Folge dieser außergewöhnlichen Taten entwickelten viele Menschen Vertrauen in Biwawa und den Buddhadharma. Auf diese Weise führte er viele Menschen auf den spirituellen Pfad. Als die Mönche in Nalanda von seinen Taten hörten, bedauerten sie sehr, daß sie ihn ausgestoßen hatten, und baten ihn, ins Kloster zurückzukehren, aber Biwawa lehnte ihre Einladung ab.


SAKYA PANDITA

 

Biwawa wählte später eine Wiedergeburt im Westen Tibets als der große Lama der Sakya-Tradition, Sachen Kunga Gyaltsän, besser bekannt unter dem Namen Sakya Pandita. Selbst gewöhnliche Wesen erkannten, daß er ein ganz besonderes Wesen war. Die erste Sprache, die er als kleines Kind sprach, war Sanskrit und nicht Tibetisch, obwohl ihm dies nie beigebracht worden war. Er konnte sich sogar im Traum Texte einprägen. Einmal träumte er beispielsweise, daß ihm der große indische Pandit Vasubandhu Unterweisungen über dessen Text Schatzkammer der Phänomenologie gab. Als er aufwachte, konnte er den gesamten nahezu fünfzig Seiten langen Text auswendig. Sakya Pandita folgte seinem Guru Jetsün Dragpa Gyaltsän, studierte und praktizierte sowohl Sutra als auch Tantra und wurde ein großer Gelehrter und Meditierender, der für seine Weisheit und seine Wunderkräfte berühmt war.

 

Sakya Panditas Ruf wurde weit herum bekannt und erreichte sogar den chinesischen Kaiser. Der Kaiser interessierte sich sehr für Sakya Pandita und lud ihn nach China ein, um ihn persönlich kennenzulernen. Gleichzeitig beschloß er, den Besuch als Gelegenheit zu nutzen und zu prüfen, ob Sakya Pandita wirklich erleuchtet war. Er bestellte einen Magier von großem Können zu sich und beauftragte ihn, einen schönen Palast mit Dienern, prachtvollen Ornamenten und Verzierungen erscheinen zu lassen. Diese Magier unterschieden sich sehr stark von den heutigen Magiern im Westen. Durch eine Mischung von Konzentration, Mantra-Rezitation und besonderen Substanzen konnten sie Häuser oder sogar ganze Städte während Tagen oder Monaten erscheinen lassen. Leider hatten sie aber nicht die Kraft ihre magischen Schöpfungen unbeschränkt aufrechtzuerhalten, so daß die Erscheinungen nach einer Weile wieder verschwanden. Solange sie existierten, schienen ihre Schöpfungen jedoch echt zu sein, und die Menschen lebten darin, ohne die geringste Vermutung, daß es sich um magisch erschaffene Illusionen handelte. Der Kaiser dachte, daß sich Sakya Pandita, sollte er wirklich erleuchtet sein, von solch einem magisch erschaffenen Palast nicht beirren lassen würde. Sollte er aber nur ein gewöhnlicher Mensch sein, würde er ihn für echt halten.

 

Als Sakya Pandita in China ankam, brachte ihn der Kaiser zum magisch erschaffenen Palast und fragte ihn, was er davon halte. Sakya Pandita antwortete, daß er sehr schön sei. «Ob dies wohl ein echter Palast ist?» fragte der Kaiser. «Ja natürlich ist er echt», antwortet Sakya Pandita. Aus dieser Antwort schloß der Kaiser, daß Sakya Pandita kein wirklicher Buddha sei, sondern nur ein gewöhnliches Wesen, das die Menschen in Tibet und China betrüge. Der Kaiser befahl darauf dem Magier, seine Schöpfung wieder aufzulösen. Als dieser es aber versuchte, stellte er fest, daß er dazu nicht mehr in der Lage war. Ohne daß es der Kaiser und der Magier gemerkt hatten, hatte Sakya Pandita seine eigenen Wunderkräfte benutzt und den magisch erschaffenen in einen wirklichen Palast verwandelt. Als der Kaiser dies erkannte, bedauerte er zutiefst seine zuvor gegenüber Sakya Pandita gehegten negativen Gedanken. Er entwickelte sofort starkes Vertrauen in ihn und wurde sein Schüler. Es heißt, daß der Palast noch heute steht und als Tempel mit dem Namen «Der Ausstrahlungstempel» bekannt ist.


BUTÖN RINCHEN DRUB

 

Sakya Pandita wählte später eine Wiedergeburt als Butön Rinchen Drub. Er wurde im Westen Tibets geboren, in der Nähe des Ortes, wo heute das Kloster Tashilhunpo steht. Bereits in jungen Jahren wurde er als Mönch ordiniert. Schon als er ein kleines Kind war, erkannten seine Eltern, daß er ein ganz besonderes Wesen war. Das Kind führte oft Gespräche mit Manjushri, so natürlich als spräche es mit anderen Menschen. Aus seiner Rede und seinen Handlungen wurde deutlich, daß es bereits Großes Mitgefühl und Bodhichitta erlangt hatte.

 

Zwar bemühte sich Butön nicht besonders, Sanskrit zu lernen, dennoch konnte er es problemlos verstehen. Er übersetzte Sanskrit-Texte, die noch nicht ins Tibetische übersetzt worden waren, und er korrigierte viele frühere Übersetzungen. Er wurde ein sehr großer und berühmter Lama und ein studierter Gelehrter, der sowohl in Sutra als auch in Tantra bewandert war. Er schrieb umfassende Kommentare in sechsundzwanzig Bänden zu Themen aus dem Kangyur und Tengyur. Butöns Werke sind so umfassend, daß es für gewöhnliche Menschen schwierig ist, sie als Ganzes zu erfassen und ihre essentielle Bedeutung zu erkennen. Sie können jedoch mit Hilfe Je Tsongkhapas Erläuterungen klar verstanden werden. Butöns und Je Tsongkhapas Werke sind sehr eng miteinander verbunden. Es heißt, daß man Butöns Bücher lesen sollte, wenn man über viele Dinge Bescheid wissen möchte, und daß man Je Tsongkhapas Werke lesen sollte, wenn man zu sicheren und klaren Schlußfolgerungen gelangen möchte.

 

Büton betonte in erster Linie die Notwendigkeit, den Buddhadharma in reiner Form zu praktizieren. Er führte seine Wunderkräfte weniger häufig vor als in seinen früheren Inkarnationen und verbrachte seine Zeit größtenteils damit, zu lehren und zu schreiben. Zur Zeit Manjushris und Mahasiddha Biwawas hatten die Menschen im allgemeinen mehr Verdienste und einen viel reineren Geist. Daher war die Vorführung von Wunderkräften oft sehr kraftvoll und wirksam, um die Entwicklung von Vertrauen und anderen Realisationen zu bewirken. Mit zunehmender Degeneration der Zeiten hatten die Menschen jedoch weniger Verdienste, und ihr Geist war weniger rein. Für die Menschen dieser Zeit war die Vorführung von Wunderkräften eher kontraproduktiv. Es ließ Zweifel, Skepsis, Neid und andere negative Geisteshaltungen statt reiner Geisteshaltungen wie Vertrauen entstehen. Man verdächtigte Leute sogar, die Wunderkräfte vorführten, daß sie diese für eigensüchtige oder politische Ziele einsetzten, und Menschen mit finsteren inneren Geheimnissen fürchteten, daß sie entlarvt würden. Unter solchen Umständen befanden sich diejenigen, die Wunderkräfte vorführten, manchmal in Lebensgefahr. Zudem wäre zu befürchten gewesen, daß nur solche Schüler angezogen würden, die Wunderkräfte für sich selbst besitzen wollten. Aus diesen Gründen verbot später Je Tsongkhapa seinen Schülern, ihre Wunderkräfte zur Schau zu stellen. Die späteren Inkarnationen Manjushris betonten deshalb immer weniger diese Wunderkräfte und zogen es statt dessen vor, fühlenden Wesen zu helfen, indem sie ein vollkommenes Vorbild waren und klare und präzise Anweisungen über den Pfad zur Erleuchtung gaben. So zeigten verwirklichte Wesen, wie beispielsweise Sakya Pandita und Butön Rinchen Drub, den Praktizierenden, wie man richtig meditiert und Erfahrungen in den Stufen des Pfades gewinnt, und führten sie zu tiefgründigen Realisationen von Konzentration und Weisheit. Auf diese Weise zähmten sie den verblendeten Geist ihrer Schüler und führten sie aus dem Leiden ins reine Glück.


DULDZIN DRAGPA GYALTSÄN

 

Butön Rinchen Drub wurde später in Zentraltibet als Duldzin Dragpa Gyaltsän wiedergeboren, der ein Hauptschüler Je Tsongkhapas wurde. Wie Je Tsongkhapa war er ein sehr reiner Praktizierender der Vinaya und wurde deshalb Duldzin genannt, die Kurzform für «dulwa dzinpa» oder «Halter der Vinaya».

 

Zwar zeigte sich Duldzin in der Form eines Schülers von Je Tsongkhapa, doch war er in Wirklichkeit eine Ausstrahlung Manjushris. Somit waren sowohl Lehrer als auch Schüler Ausstrahlungen von Manjushri. Aus der Sicht gewöhnlicher Wesen mag dies ein Widerspruch sein, aber in Wirklichkeit ist es keiner. Als Buddha die Sutras und Tantras lehrte, zeigte er sich manchmal sowohl als Lehrer wie auch als Hauptgesprächspartner, die zur Entfaltung des Vortrages beitrugen. In einem Tantra sagte Buddha Vajradhara: «Ich bin der Lehrer, und ich bin der Schüler. Ich bin der Redner, und ich bin der Zuhörer.» Es gibt Tantras, die von Vajrapani, einer Ausstrahlung Vajradharas, erbeten wurden, und oft befanden sich unter der Zuhörerschaft noch viele weitere Ausstrahlungen. Da Manjushri ein Buddha ist, kann er gleichzeitig zahllose Ausstrahlungen manifestieren. Folglich ist es nicht unmöglich, daß sowohl Je Tsongkhapa als auch Duldzin Dragpa Gyaltsän seine Ausstrahlungen waren.

 

Die Haupttätigkeit Duldzin Dragpa Gyaltsäns bestand darin, Je Tsongkhapas Unterweisungen zur Blüte zu verhelfen. Er arbeitete daran, Hindernisse zu beseitigen und günstige Bedingungen für die Verbreitung dieser kostbaren Unterweisungen zu schaffen. Es war Je Tsongkhapas Wunsch, daß sich der besondere Dharma, der aus Manjushris Weisheit entsprang, weit verbreiten sollte. Duldzin arbeitete als ergebener Schüler unermüdlich daran, den Wunsch seines Gurus zu erfüllen.

 

Je Tsongkhapa reiste sehr viel, da er zahlreiche Einladungen annahm, Unterweisungen zu geben. Er führte auch tiefgründige Retreats durch, um zu schreiben und zu meditieren. Während seiner Abwesenheit überließ er Duldzin seine Angelegenheiten. Es war beispielsweise Duldzin Dragpa Gyaltsän, der den Bau des Klosters Ganden organisierte.

 

Statt Wunderkräfte vorzuführen, zeigte Duldzin, wie man reinen Dharma praktiziert, indem man sich aufrichtig auf seinen Spirituellen Meister verläßt, reine moralische Disziplin bewahrt und so weiter. Wie Je Tsongkhapa zeigte auch er, daß zwischen der äußeren Praxis der Vinaya, der inneren Praxis des Bodhisattva-Pfades und der geheimen Praxis der Erzeugungs- und Vollendungsstufe des Höchsten Yoga-Tantras kein Widerspruch besteht.

 

Je Tsongkhapas Schüler glaubten, daß Duldzin Dragpa Gyaltsän und Je Tsongkhapa bezüglich ihrer Realisationen, ihrer Fähigkeiten und ihrer Weisheit gleich waren. Als Je Tsongkhapa verschied, wurde sein Thron zuerst Duldzin angeboten. Duldzin aber lehnte diese Ehre ab, bot ihn statt dessen Gyaltsabje an und sagte: «Du sollst der zweite Halter des Ganden-Throns werden. Du sollst Je Tsongkhapas Dharma lehren und weit verbreiten. Ich werde deiner Arbeit zu Erfolg verhelfen, indem ich Hindernisse beseitigen und für die richtigen Bedingungen sorgen werde.»


PANCHEN SÖNAM DRAGPA

 

Duldzin Dragpa Gyaltsän wurde später in Zentraltibet wiedergeboren. Er wurde ein besonderer Lama, den man als Panchen Sönam Dragpa kennt. Wie Duldzin arbeitete auch er daran, Hindernisse zu beseitigen, die dem Gedeihen der Tradition Je Tsongkhapas entgegenstanden, und förderliche Bedingungen zu schaffen.

 

Dieser Lama war insofern einzigartig, als er zu verschiedenen Zeiten seines Lebens Abt der tantrischen Hochschule Gyutö, des Klosters Ganden, des Klosters Drepung und des Klosters Sera wurde. Während er Abt am Kloster Ganden war, wurde er auch der fünfzehnte Halter von Je Tsongkhapas Thron. Damals wurden die Äbte von den in den jeweiligen Klöstern wohnenden Mönchen gewählt. Daß Panchen Sönam Dragpa hohes Ansehen genoß, zeigt sich dadurch, daß er zum Abt aller vier Hauptklöster ernannt wurde. Er ist der einzige, dem diese Ehre jemals zuteil wurde.

 

Panchen Sönam Dragpa schrieb viele Kommentare sowohl zu Sutra als auch zu Tantra. Bis zum heutigen Tag qualifizieren sich die Mönche sowohl in Drepung Loseling, dem größten Gelugpa-Kloster, als auch in Ganden Shartse für ihren Geshe-Titel, indem sie sich vorwiegend auf die Arbeiten dieses großen Lehrers stützen. Er wird auch in anderen Klöstern, wie beispielsweise dem Kloster Sera, sehr hoch geachtet.

 

Während seines ganzen Lebens arbeitete Panchen Sönam Dragpa daran, Je Tsongkhapas Lehre zu fördern. Als er Halter von Je Tsongkhapas Thron wurde, verfaßte er folgendes Gebet:

 

Damit die Tradition Je Tsongkhapas, Des Königs des Dharmas, erblühe, Mögen alle Hindernisse überwunden sein, Und mögen alle vorteilhaften Bedingungen im Überfluß vorhanden sein. Einige Zeit später, als er am Mönlam Chenmo teilnahm, dem Großen Gebetsfest, das von Je Tsongkhapa ins Leben gerufen worden war, verfaßte er einen besonderen Widmungsvers: Durch die zwei Ansammlungen von mir und anderen, Die während der drei Zeiten zusammengetragen wurden, Möge die Lehre des Eroberers Losang Dragpa Für immer blühen. Diese Gebete, die in allen Gelugpa-Klöstern und -Dharma-Zentren jeden Tag nach den Unterweisungen und Pujas rezitiert werden, weisen darauf hin, daß Panchen Sönam Dragpa die gleichen Tätigkeiten ausführte wie Dorje Shugden: Er arbeitete für das Gedeihen der Lehre Je Tsongkhapas. Später in seinem Leben wurde Panchen Sönam Dragpa der Spirituelle Meister der Reinkarnation des Ersten Dalai Lamas Je Gendundrub. Er gewährte ihm die Ordination und gab ihm den Namen Sönam Gyatso. Es war Sönam Gyatso, der die Mongolei besuchte und den Herrscher Altan Khan so sehr beeindruckte, daß sowohl er selbst wie auch seine Untertanen zum Buddhismus bekehrt wurden. Der Khan gab ihm den Titel Dalai Lama, was im Mongolischen «Ozeangleicher Lama» bedeutet. Zwar war er der erste, der so genannt wurde, dennoch wurde er als der Dritte Dalai Lama bekannt. Seine beiden früheren Inkarnationen, Je Gendundrub und Je Gendun Gyatso, erhielten posthum den Titel Erster und Zweiter Dalai Lama.

 

Als Panchen Sönam Dragpa starb, blieb er fünfzehn Tage lang mit einsgerichteter Konzentration im Klaren Licht des Todes. Dann verkleinerte sich sein Körper auf die Größe eines Unterarmes, und aus diesem Körper erschienen viele Statuen und Reliquien. Seine Art zu sterben zeigt uns eindeutig, daß er den Illusorischen Körper erlangt hatte und wahrhaftig ein erleuchtetes Wesen war.


NGATRUL DRAGPA GYALTSÄN


Ngatrul Dragpa Gyaltsän war die Reinkarnation von Panchen Sönam Dragpa. Er lebte zur gleichen Zeit im Kloster Drepung wie der Fünfte Dalai Lama, und diese beiden Lamas waren Schüler des Ersten Panchen Lamas, Losang Chökyi Gyaltsän. Es gibt eine weitere Verbindung zwischen diesen beiden: Panchen Sönam Dragpa war der Haupt-Guru des Dritten Dalai Lamas, und der Fünfte Dalai Lama war im gleichen Geisteskontinuum wie der Dritte Dalai Lama. Sowohl Ngatrul Dragpa Gyaltsän als auch der Fünfte Dalai Lama waren sehr hoch angesehen und wurden als sehr reine und kostbare Lehrer betrachtet.

 

Ngatrul Dragpa Gyaltsän studierte vorwiegend unter dem Ersten Panchen Lama sowohl Sutra als auch Tantra und wurde ein großer Gelehrter und Meditierender. Er meditierte in über hundert Höhlen und hatte viele direkte Visionen von Buddhas, Bodhisattvas und Gottheiten. Er machte eine Reihe von Prophezeiungen, einschließlich dieser, daß er Dorje Shugden werden würde. Ngatrul Dragpa Gyaltsän starb in verhältnismäßig jungen Jahren.

 

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Politischer Führer

dalai lamaDalai Lama

Die Heuchelei

Verfolgen Sie die Geschichte der dreißigjährigen politischen Kampagne des Dalai Lama, eine jahrhunderalte spirituelle Tradition zu zerstören, die ihm von seinem eigenen spirituellen Meister gelehrt wurde, und ebenso die Bemühungen derjenigen, die durch ihn verletzt werden, ihn zu stoppen:

Kurze Zusammenfassung
- Was geschieht hier?
- Detaillierte Berichte über Diskriminierungen aus Indien

Die Position des Dalai Lama
- Lobpreisung des Weisheit-Buddhas Dorje Shugden durch den Dalai Lama
- In den Worten des Dalai Lamas

Warum geschieht es?
- Warum findet diese religiöse Unterdrückung statt?
- Sind die Gründe des Dalai Lama gültig?

Bemühungen, religiöse Freiheit wiederherzustellen
- Geshe Kelsangs Offener Brief
- Das Verbot ist rechtswidrig und verfassungswidrig
- Presseberichte und Videos
- Dalai Lama für Unterdrückung der Religionsfreiheit angeklagt
- Ein Konflikt mit einer Lösung

Analyse der Situation
- Geshe Kelsangs Stellungnahme zu Sektierertum
- Kann der Dalai Lama jemals einen Fehler machen?
- Ist der Dalai Lama der einzige spirituelle Führer im tibetischen Buddhismus?
- Theokratie oder Demokratie?
- Geisterverehrung oder authentische buddhistische Praxis?
- Freiheit der Religionsausübung
- Die Rechtfertigungen des Dalai Lama
- Was würde Thomas Jefferson über den 14. Dalai Lama denken?

Beweismaterial und Berichte aus erster Hand
- Chronologischer Hintergrund
- Dokumentation über Zwist im Exil
- Politische Motivationen für das Verbot
- Zusammenfassung bis heute von Exil-Tibetern

Anhaltende Verfolgung 2008
- Jüngste Stöckchen-Abstimmung und Ruf nach Hilfe
- Erzwungene Unterschriften und Identitätsausweis-Kampagne
- Verfolgung von Mönchen an den Sera-Klöstern
- Öffentliche Erniedrigung und Ausschluss von Mönchen
- Brief an den indischen Premierminister bezüglich Rechtsverstöße
- Brief von Dorje Shugden-Anhängern
- Dringender Apell von den Sera-Klöstern
- Unterstützung durch die indische Polizei
- Brief der Western Shugden Society an die Sera-Klöster
- Von Herzen kommende Bitte von Mönchen in Mundgod
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